Dass es stark regnen sollte, war vorhergesagt. Was dann aber passierte, hat es so im Wesertal noch nicht gegeben. Mit zeitlichem Abstand gibt es hier einen kleinen, durchaus auch persönlich gefärbten Beitrag, der diese Unwetterkatastrophe noch einmal in den Blick nimmt. Jetzt ist es auch möglich, auf die erfreulichen Dinge einzugehen, die nach dem Unwetter passiert sind.
Regenbeginn
Am Nachmittag des 1. August 2024 setzte der Regen ein. Erst noch ganz harmlos. Dann hörte man aber schon, wie eine immer lauter werdende Wand aus Regen schnell näher kam. Das war aber auch erst einmal nur Regen…
Erster Alarm
02.08.2024, 00:20 Uhr – Meldung auf dem Pager „Einsatz, Unwetter“
Die meisten von uns waren schon im Bett. Also aufspringen, anziehen und los zum Gerätehaus. Die Fahrzeuge fahren etwa fünf Minuten nach dem Alarm aus der Halle.
Wir können nichts tun…
Es ist noch dunkel und es regnet wie aus Badewannen. Wer die Feuerwehren jetzt beobachtet hat, der wird sich gefragt haben „warum tun die nichts“? Es ist frustrierend, vor allem für uns selbst, aber leider nicht zu ändern: Solange ständig Wasser nachkommt, wo sollen wir das Wasser hinpumpen? Was wir hinten rausgepumpt hätten, wäre im gleichen Moment vorne wieder hineingelaufen. Außerdem war es bei Nacht schwer bis unmöglich, die Lage sicher einzuschätzen.
Im Scheinwerferlicht der Fahrzeuge konnte man aber ahnen, was da auf einen zukommt…
Also warten. Frustrierend.
Tageslicht
Das gesamte Unterdorf ist betroffen und steht mehr oder weniger unter Wasser. Zwischen Mühlenplatz und Weser haben sich Wasser und Schlamm breit gemacht. Wiesen sind geflutet, Gärten überschwemmt, Keller und Garagen vollgelaufen.
Als erste Hilfe von Außen treffen die Wehren der Ortsteile ein. Später kommen weitere Kräfte hinzu. So bringt zum Beispiel eine Werksfeuerwehr aus Göttingen eine Hochleistungspumpe, die sich als ausgesprochen hilfreich erweist.
Krasse Kontraste: Der östliche Teil von Gieselwerder war völlig ohne Schäden. Hier hatte es tatsächlich nur geregnet. Kein Schlamm. Keine Überschwemmung.
Jetzt begann ein tageslanges Schippen und Pumpen.
„Ich kann den Schlamm nicht mehr sehen!“
Wenn man stundenlang den rotbraunen Schlamm, den der Regen aus dem Reinhardswald ins Tal gespült hatte, weggeschippt oder weggespült hat und die Einsatzkleidung auch diese Farbe angenommen hat, dann fängt man an, nachts davon zu träumen.
Die meisten von uns hatten dabei aber den Vorteil, dass sie den Dreck einfach abspülen, frische Sachen anziehen und ins trockene Zuhause gehen konnten. Ganz anders bei denen, deren Häuser, Keller, Garagen, Autos und Gärten mit diesem Schlamm geflutet worden waren.
Um überhaupt mit der Arbeit sinnvoll beginnen zu können, war der Lumbach durch einen Damm gesichert worden. Nur so konnte das Wasser zur Weser geleitet werden, ohne sich weiter im Ort zu verteilen.
Es war nicht nur der Schlamm zu beseitigen. Einige wichtige Wasserdurchlässe waren durch Äste, Geröll und Autoreifen verstopft. Sie mussten dringend freigelegt werden, um nicht beim nächsten Regen ein neues Problem zu erzeugen.
Blick zu den Nachbarn
Es hat nicht nur Gieselwerder getroffen. Während die Ortschaften östlich der Weser, Lippoldsberg, Oedelsheim, nur ein bisschen nass geworden sind, hat es vor allem Gottsbüren sehr schwer erwischt. Die Ortsmitte wurde von einer Flutwelle regelrecht überrollt. Auch in Reinhardshagen und Hümme waren schwere Schäden aufgetreten. Das Unwetter hatte sich mehr oder weniger über dem Reinhardswald im Kreis gedreht und immer neue Regenwolken produziert. Feuerwehren aus dem gesamten Landkreis Kassel waren zur Unterstützung notwendig.
In Gottsbüren fielen 170 Liter Regen auf den Quadratmeter in nur zehn Stunden – der deutschlandweite Rekord für das Jahr 2024! Nirgendwo sonst ist in diesem Jahr so viel Regen an einem Tag heruntergekommen.
Aufmerksamkeit – politisch
So ein Ereignis findet politische Aufmerksamkeit. Muss auch so sein. Die Feuerwehren aus Wesertal wurden vom hessischen Innenminister, Prof. Dr. Roman Poseck, zum „Tag des Ehrenamts“ in den Hessenpark eingeladen. Wir konnten dort unter anderem an der Ehrung der Kameradinnen und Kameraden teilnehmen, die aus Hessen zum Hochwassereinsatz nach Bayern gefahren waren. Im Juni war es dort und in Baden-Württemberg zu großflächigen Überschwemmmungen gekommen. Ein Feuerwehrkamerad aus Bayern kam dabei ums Leben, ein weiterer wird noch immer vermisst.
Aufmerksamkeit – in der Gemeinschaft
Die letzten Jahre waren für die Feuerwehr Gieselwerder auch geprägt von der Frage, wie wir der Gemeinschaft vermitteln können, dass die Existenz einer Freiwilligen Feuerwehr kein Luxus ist und dass sie nicht „vom Himmel fällt“. Die Bürgerrinnen und Bürger müssen sich hier selbst engagieren. Nachdem das Jahr 2024 schon mit deutlichem Zuwachs in der Einsatzabteilung durch zahlreiche junge, engagierte Neuzugänge gestartet war, hat das Unwetter nochmals zu einem starken Zuspruch geführt. Sowohl die Einsatzabteilung als auch der Feuerwehrverein sind deutlich gewachsen. Damit sind wir nun auch zuversichlich, die kommenden Herausforderungen der Gefahrenabwehr bewältigen zu können.
Dankbarkeit – uns gegenüber
Man spürt im Ort sehr, dass die Aufmerksamkeit gegenüber unserer Arbeit gewachsen ist. Die Aufgabe „Freiwillige Feuerwehr“ findet deutlich mehr Anerkennung.
Dank – von uns!
Wir wollen uns bedanken!
Bei den Kameradinnen und Kameraden der benachbarten Feuerwehren: Ohne Euch hätten wir das nicht geschafft. Ihr habt Euch für Gieselwerder genauso eingesetzt, wie Ihr das in Euren eigenen Ortschaften getan hättet.
Beim Roten Kreuz, das uns mit Verpflegung versorgt hat. Ohne diese Aufgabe im Hintergrund sind solche Einsätze nicht zu bewältigen.
Bei den Nachbarinnen und Nachbarn im Ort: Alle haben angepackt! In der ersten Verzweiflung hatten vielleicht einige gehofft, die Feuerwehr müsste nur ein wenig „Hex Hex“ machen und alles wäre wieder gut. Das Verständnis dafür, dass wir uns auch nur schrittweise durch Wasser und Schlamm arbeiten können, kam aber sehr schnell.
Viele kamen dann im Laufe der Einsatztage auch vorbei, um uns mit Verpflegung zu unterstützen. Wisst Ihr eigentlich, wie sehr das motiviert und Kraft gibt?!
Glücklicherweise waren die Folgen dieses Unwetters weit von der Katastrophe im Ahrtal entfernt. Es hat sich aber auch hier gezeigt, zu welchen Leistungen das Prinzip der ehrenamtlichen Hilfe fähig ist. Das gilt nicht nur für die Freiwilligen Feuerwehren. Das gilt auch für das Technische Hilfswerk (THW), die Hilfdienste wie das Deutsche Rote Kreuz, die DLRG und jede und jeden, die in der Not anpacken und helfen ohne lange zu fragen.